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Willkommen in der Turbo S-Klasse

Perfekte Harmonie, Überfluss oder einfach automobile Schizophrenie? Der extralange Panamera will Luxus-Limousine, Statussymbol und Sportwagen zugleich sein. Vor allem in der edelsten Version, der „Exclusive Series“ die auf nur 100 Exemplare weltweit limitiert ist. Ein Auto für Herrenfahrer oder reiche Schluffis die sich im Fond lümmeln wollen? Mit dem Panamera Exklusive geht alles.

Als bekennender Verfechter des automobilen Purismus hat mich dieser Panamera eiskalt erwischt. Ganz im Wortsinne. Erstmal im Fond Platz genommen, sinniert man schnell: Das Eisfach zwischen den üppigen Luxussesseln, zwei Gläser mit graviertem Porsche-Logo für den Lieblingsweißen dazu, das hat schon was. Besser noch die smarten Schalterchen in Reichweite die den Beifahrersitz samt Passagier nach vorne fahren oder wie von Geisterhand kleine Markisen aus den Fensterrahmen klappen lassen. Eine gut gekühlte Flasche im angenehm temperierten Innenraum bei draußen 35 Grad, während der Chauffeur auf der freien Bahn lässige 220 eingestellt hat, die Burmester-Anlage die Hitliste der Lieblingstitel auf und ab spielt, während man in Begleitung von zumindest einer netten Dame auf dem Nachbarsitz dem Ziel entgegen gleitet. Das hat Reiz.

Reisen erster Klasse, da entrückt man vergnüglich der harten Realität deutscher Autobahnen oder eher dem chinesischen Großstadtverkehr. Ok, Autobahnen wo man locker 220 einstellt sind selten, die Blonde nebenan sowieso. Alles andere ist real. Vom Panamera der „Exclusive Series“ wird es nur 100 Stück geben, durchnummeriert und erkennbar an den Plaketten am Armaturenbrett und beiderseits an den vorderen Kotflügeln. Die Exclusive-Serie ist sozusagen die Endstufe im Luxus-Segment der Porsche Modellpalette, eine Sonderserie des Panamera Executive, der mit 150mm mehr Radstand im Vergleich zum normalen Panamera deutlich mehr Raum für die Fondpassagiere schafft.

Für rund 250.000 Euro ist dafür auch so ziemlich alles standardmäßig drin was in der Aufpreisliste zu haben wäre. Feinstes Leder auf den Sitzflächen, und an so ziemlich jeder Stelle über die Auge oder Hand im Innenraum streichen kann. Feines Wurzelholz im Verlauf schattiert lackiert, ebenso wie die aufwändige Zweifarben-Handlackierung in Tiefschwarzmetallic-Maronenbraunmetallic die die Seitenflächen optisch ganz dezent absetzt und die gestreckte Panamera-Linie je nach Lichteinfall modelliert. Unübersehbare Signale sendet die Sport-Limousine, die es nur in der Turbo S-Version gibt, ohnehin. Nicht nur in Fahrt mit einer in allen Drehzahlbereichen dumpf ballernden  Sportauspuffanlage. Schon im Stand zeigen die 20-Zoll großen, ebenfalls tiefschwarz lackierten Felgen und die Unterarmstarken Doppelendrohre wer Chef ist auf der Bahn.

Die durchaus eindrucksvolle Demonstration dürfte allerdings meist den Chauffeuren überlassen bleiben, während die Besitzer diskret hinter schwarz verspiegelten Seitenscheiben und elektrisch hochgefahrenen Seiten- und Heckrollos anderen Verkehrsteilnehmern verborgen bleiben. Der Edel-Panamera ist die klassische Chauffeurslimousine, fast unnötig zu erwähnen, dass die schnell ausverkaufte Sonderserie zum größten Teil Richtung Osten verschifft wurde. Mit Schampus, Musik, Bordfernsehen, Internet oder eben „Rear-Seat Entertainment“ wie die Unterhaltungsorgie auf den zwei Bildschirmen an den Lehnen der Vordersitze heißt, lässt sich fein klimatisiert auch der Pekinger Stop-and-Go-Verkehr ertragen. Der Chauffeur ist in dieser Preisklasse dort ohnehin selbstverständlich.

Als handfester Purist wird man angesichts von so viel Fahrkultur schon einer harten Prüfung unterzogen. Konsequent bleiben fällt verdammt schwer. Das ist Porschefahren in neuer Dimension. Vor allem wenn man selbst am Steuer sitzt. Da wird schnell klar, dass Porsche seinen Anspruch in jedem Segment das sportlichste Modell zu bieten, erfüllt hat. Denn der Über-Panamera zeigt enormes Potential, wenn der Fahrer mal die Peitsche auspackt und die Pferde stramm laufen lässt. 570 davon generiert der Turbo-Achtzylinder-Motor und das ganz lässig. Ein Siebengang-PDK Getriebe gibt sie perfekt dosiert an das Porsche Traction Management PTM weiter das sie an alle vier Räder überträgt. Auf Knopfdruck ändert sich das Temperament spürbar vom flotten Trab, wenn die Sporttaste gedrückt wird, zum strammen Galopp, wenn erst die Sport Plus Taste gedrückt ist. Die adaptive Dämpferregelung schaltet in zwei Stufen von straff auf knackig hart. Die Lenkung wird direkter, die Gasannahme spontaner, fast giftig und die Schaltpunkte verschieben sich zum Drehzahlbegrenzer bei 6000/min. Dazu gibt‘s noch den extra Overboost-Drehmoment-Kick im Sport Plus Modus.

Wenn die knapp 3000 Euro für die Sportabgasanlage noch zusätzlich investiert wurden, öffnet die Klappe und der dumpfe Achtzylinder-Sound brabbelt so wunderbar durch den Innenraum, dass selbst die Burmester HiFi-Anlage mit 16 Lautsprechern und 1000 Watt Gesamtleistung neidisch wird. Die Kommandos für Zwischengas und Lastwechselpatschen generiert das Motorsteuergerät dann gratis dazu. So deutlich, dass die Umwelt auch was davon hat. Nicht nur optisch, auch akustisch ist dieser Panamera für seine Umgebung eine höchst eindrucksvolle Erscheinung. Noch nicht genug der Sportschau: Ausfahrbarer Heckspoiler, Schalttasten am Lenkrad, Sport-Chrono-Paket mit Stoppuhr sogar die Launch-Control für einen applauswürdigen Ampel-Start sind an Bord. Für die nächste rote Ampel dann die Keramik-Bremsen im ICE-Format. 420mm Durchmesser vorne, das haut rein. Schließlich wollen die rund 2,2 Tonnen Porsche auch adäquat verzögert werden.

Die Zweifarb-Lackierung mit Verlauf ist wie die Innenausstattung feinste Handarbeit.

Die Zweifarb-Lackierung mit Verlauf ist wie die Innenausstattung feinste Handarbeit.

Meist schwebt der lange Panamera dank adaptiver Luftfederung nur säuselnd über die Fahrbahnen, doch in der Klasse der Luxuslimousinen ist er zweifellos der durchtrainierteste Kandidat. Trotz allem angefüttertem Wohlstandsspeck bewegt er sich vor allem im Sportmodus, so leichtfüßig, agil und direkt, vermittelt dabei noch den nötigen Kontakt zur Fahrbahn wie es eine zügige Fahrweise erfordert, dass man völlig vergisst in einer 5,20m langen Luxuxslimousine unterwegs zu sein.

Trotz Wohlstandsspeck bewegt sich dieser Panamera noch leichtfüßig und agil

Zumindest solange der Exclusive-Panamera nicht allzu heftig über die Vorderräder schiebt. Schnell um die Kurven getrieben fordert das Gewicht natürlich seinen Tribut und die Elektronik tut ihr Bestes um ihn nicht nur stabil und flott beschleunigen und verzögern zu lassen, sondern ihn ebenso zügig um jede Kurve zu bringen. Am Lenkrad kommt dabei nicht mal ein Hauch von Hektik auf. Bei allem Komfort den der Font bietet, seinem Chauffeur gönnt man angesichts der Fahrdynamik des Luxus-Panameras gerne öfters einen freien Tag. Aber wer schon das Privileg hat zwischen Font und Fahrersitz wählen zu können, der hat dann sicher noch den einen oder anderen Elfer in der Garage.

Technische Daten Porsche Panamera Turbo S Exclusive
Bohrung & Hub: 96,0 x 83,00 mm
Hubraum: 4.806 ccm
Motorleistung: 570 PS (419 kW) bei 6.000/min, max. Drehmoment 750 Nm bei 2.500/min bis 5.000/min, 800 Nm im Overboost
Kraftübertragung: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe; elektronisch geregeltes Dämpfungssystem, adapative Luftfederung. Allradantrieb.
Räder und Reifen: vorne 9,5 J x 20 mit 255/40 ZR 20,

hinten 11 J x 20 mit 295/35 ZR 20

Gewichte: Leergewicht DIN 2.080 kg

Zul. Gesamtgewicht 2.560 kg

Tankinhalt: 100 Liter
Höchstgeschwindigkeit: 310 km/h
Beschleunigung: 0–100 km/h 3,9 s

Text und Fotos: Andreas Illg

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