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Tatjana Maria verpasst trotz starker Leistung Einzug ins Wimbledon-Finale

Die Traumreise von Tatjana Maria in Wimbledon ist zu Ende. Trotz einer erneut eindrucksvollen Energieleistung verpasste die Spielerin vom Porsche Team Deutschland am Donnerstag durch ein 2:6, 6:3, 1:6 gegen die Weltranglistenzweite Ons Jabeur aus Tunesien den Einzug ins Finale. Trotzdem war sie die große positive Überraschung der 135. Auflage des traditionsreichsten und prestigeträchtigsten Tennisturniers der Welt.

Was für eine Geste der Siegerin: Nach dem Finale nahm Ons Jabeur die unterlegene Tatjana Maria an der Hand und zog sie zurück auf den Centre-Court, um sich gemeinsam den Applaus der Zuschauer abzuholen. „Ich liebe sie“, sagte die Tunesierin im Platzinterview. „Sie ist eine Inspiration für so viele Spielerinnen, auch für mich.“ Tatjana Maria war noch lange nach dem Match im Sky-Studio sichtlich gerührt: „Das war ihr Moment. Sie ist gerade ins Finale von Wimbledon eingezogen. Dass sie dieses Glück mit mir teilen wollte, zeigt was für eine tolle Person sie ist.“

Im wichtigsten Match ihrer von Höhen und Tiefen geprägten Karriere benötigte Tatjana Maria einen langen Anlauf. Die erste zweifache Mutter in einem Wimbledon-Halbfinale seit Margaret Court 1975, aktuell die Nummer 103 im WTA-Ranking, wirkte sehr nervös und kassierte bereits in ihrem zweiten Aufschlagspiel ein Break. Das kostete sie den ersten Satz. Im zweiten Durchgang wurde sie dann aber wieder zur Comeback-Königin, als die sie im Verlauf des Turniers schon einige Spiele aus dem Feuer gerissen hatte. Sie spielte lockerer, nahm ihrer Gegnerin erstmals den Aufschlag ab und schaffte den Satzausgleich. Doch Ons Jabeur kam eindrucksvoll zurück. Die aktuelle Nummer 2 der Weltrangliste und Siegerin des WTA-Turniers in Berlin, die vor dem Wimbledon-Halbfinale zehn Matches in Folge auf Rasen gewonnen hat, war die aggressivere und mutigere Spielerin. Am Ende ging der Entscheidungssatz klar an die Tunesierin, eine enge Freundin der Familie Maria, die bei den Turnieren ab und zu auf die Töchter Charlotte und Cecilia aufpasst.

„Ich wusste natürlich, dass es ein schweres Match werden würde. Auch sie spielt einen guten Slice und tolle Stoppbälle. Wir gehen da ziemlich in die gleiche Richtung“, sagte Tatjana Maria. „Vor allem im dritten Satz hat sie kaum noch Fehler gemacht und das Match souverän zu Ende gespielt. Jetzt hoffe ich, dass sie auch das Finale gewinnt.“ Ons Jabeur ist die erste Spielerin aus Afrika in einem Grand-Slam-Endspiel und trifft dort am Samstag auf die Kasachin Elena Rybakina.

Tatjana Maria im Wimbledon-Halbfinale 2022

So sehr diese Niederlage auch schmerzen mag: Tatjana Maria kann stolz sein auf das, was sie in Wimbledon geleistet hat. Mit starken Leistungen auf dem Platz und ihrem sympathischen Auftreten zusammen mit ihrer Familie hat sie die Herzen der Tennisfans in aller Welt erobert. Der Alltag der Marias wurde in den Sportteilen der Tageszeitungen fast so ausführlich beschrieben wie die Ereignisse auf den Plätzen. Doch die Schwäbin aus Bad Saulgau, die schon seit vielen Jahren in Florida lebt, hat nicht nur erzählt, wie es ihr gelingt, Homeschooling mit Charlotte und Windelwechseln bei Cecilia mit Profitennis unter einen Hut zu bringen. Sie hat ihre neue Popularität auch genutzt, um sich in den vielen Interviews, die sie in den Tagen von Wimbledon geben musste, für eine leichtere Rückkehr von Müttern auf die Profi-Tour einzusetzen. Außer ihr waren im All England Lawn Tennis and Croquet Club diesmal nur zwei Mütter am Start: Serena Williams und Yanina Wickmayer. Bei besseren Betreuungsmöglichkeiten im Turnieralltag und einem kinderfreundlicheren Spielplan wären es sicherlich mehr, glaubt Tatjana Maria, die für sich gleichwohl klare Prioritäten setzt: „Erst kommt die Familie, dann das Tennis.“

In das 35. Grand-Slam-Turnier ihrer Karriere startete Tatjana Maria mit einem Dreisatzsieg 4:6, 6:3, 6:4 gegen die australische Qualifikantin Astra Sharma. Danach wartete mit der Rumänin Sorana Cirstea (Nr. 26) die erste gesetzte Spielerin, der sie ebenfalls in drei Sätzen mit 6:3, 1:6, 7:5 das Nachsehen gab. Gegen die Griechin Maria Sakkari, die aktuelle Nummer 5 der Welt, benötigte sie nur zwei Sätze – 6:3, 7:5. Ihr bis dahin bestes Match spielte sie im Achtelfinale gegen die Lettin Jelena Ostapenko. Auch die French-Open-Siegerin von 2017 und Zwölfte der Setzliste brachte sie mit ihren stark unterschnittenen Schlägen an den Rand der Verzweiflung. Vor allem auf einem so schnellen Belag wie Rasen springen diese Bälle nur sehr flach auf, die Gegnerinnen reagieren oft überhastet und machen Fehler. Auch ihren ersten von zwei WTA-Titeln 2018 in Mallorca holte sie auf diesem Untergrund. Eine weitere Stärke, mit der Tatjana Maria punktete, war ihre unglaubliche Laufleistung. Sie brachte Bälle zurück übers Netz, die unerreichbar schienen. Das nötigte auch ihrer Viertelfinal-Gegnerin Jule Niemeier größten Respekt ab: „Tatjana ist immer da, wo am Ende der Ball ist. Keine Ahnung, wie sie das macht.“

Starker Auftritt von Jule Niemeier vom Porsche Talent Team
Als die seit 2018 im Porsche Talent Team geförderte Dortmunderin im Viertelfinale auf Tatjana Maria traf, hatte sie sich darauf ganz gut eingestellt. Zum Sieg hat es für sie in diesem sensationellen Match jedoch nicht gereicht. Trotzdem war dieser Dienstag der zweiten Wimbledon-Woche ein deutscher Tennis-Feiertag mit großen Emotionen. Nach einer innigen Umarmung formte Jule Niemeier mit ihren Händen ein Herz und verließ unter dem tosenden Applaus des Publikums den berühmtesten Centre-Court der Welt.

„Ich hätte sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen“, sagte Tatjana Maria später in einem Interview. „Sie war super, sie hat sich wirklich mit mir gefreut. Wir können stolz sein, dass wir so ein Match gespielt haben für Deutschland.“

Auch Jule Niemeier war eine der positiven Erscheinungen in Wimbledon und steht nach ihren starken Auftritten für die Zukunft des deutschen Damentennis. Auf ihrem unglaublichen Weg ins Viertelfinale schaltete die 22-Jährige die Estin Anett Kontaveit aus, immerhin die Nummer 2 der Setzliste, und auch im Achtelfinale auf dem altehrwürdigen Centre-Court zeigte sie gegen die von den Zuschauern frenetisch angefeuerte Lokalmatadorin Heather Watson keine Nerven. Nach den French Open im Vorjahr war Wimbledon erst ihr zweites Grand-Slam-Turnier, bei dem die aktuelle Nummer 97 der Welt im Hauptfeld aufschlug. Und dann gleich das Viertelfinale zu erreichen, war eine unglaubliche Leistung der bekennenden Anhängerin von Borussia Dortmund, zu der sie sogar schwarz-gelbe Starkicker wie Mats Hummels und Nico Schlotterbeck beglückwünschten.

Jule Niemeier erreicht bei ihrem zweiten Grand Slam Turnier das Viertelfinale

Im Vorjahr kam sie erstmals für das Porsche Team Deutschland im Billie Jean King Cup zum Einsatz, im April gab sie ihren Hauptfeld-Einstand beim Porsche Tennis Grand Prix – und jetzt sorgte sie in Wimbledon für Schlagzeilen. Was für ein Aufstieg.

Beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt so weit gekommen zu sein, gibt ihr nicht nur Kraft, sondern auch Zuversicht für ihre weitere Karriere. „Ich bin sehr optimistisch“, sagte sie zum Abschied von Wimbledon, „dass es nicht mein letztes Viertelfinale war bei einem Grand Slam.“

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Redaktion 9ELF